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Randnotizen zu den Komponisten:
Leonard Bernstein (1918 - 1990)
war die Verkörperung eines Musikertraumes:
mit einem genialischen Talent ausgestattet,
überwältigte er seine Zuhörer durch eine leidenschaftliche Hingabe an die Musik,
durch Vielseitigkeit als Pianist, Dirigent und Komponist und als
pädagogischer Kommunikator in Vorlesungen und Gesprächs- konzerten.
Sein populärstes Werk ist das Musical „West Side Story” aus dem Jahr 1957.
Samuel Barber (1910 - 1981)
träumte noch von der Romantik des späten 19. Jahrhunderts und bemühte sich gleichzeitig
um eine individuelle Tonsprache, die sich von allzu modernistischen Strömungen seiner
Kollegen abheben sollte. In seiner dicht gearbeiteten Serenade fallen die polyphone Schreibweise,
Überlagerungen von Dreier- und Vierermetrum und überraschende Dur-Moll-Wechsel auf.
Barbers bekanntestes Stück, das „Adagio”, stammt aus seinem Streichquartett op. 11.
Victor Herbert (1859 - 1924)
konnte seinen Traum von einer Karriere in Amerika verwirklichen:
Der gebürtige Ire studierte zunächst in Deutschland Violoncello;
frisch vermählt mit einer Sängerin übersiedelte er dann nach New York.
Seine Frau sang an der MET, er versuchte sein Glück als Orchestergründer und Komponist -
mit großem Erfolg. Vor allem als Musical- und Songkomponist wurde er schnell bekannt.
Aber auch sein anspruchsvolles Cellokonzert fand Anerkennung - bei keinem Geringeren
als Antonín Dvořák.
Antonín Dvořák (1841 - 1904)
träumte wohl nicht von Amerika,
folgte aber dennoch 1892 einem Ruf als Direktor des National Conservatory of Music in New York.
In den folgenden drei Jahren entstanden dort drei seiner bedeutendsten Werke:
die 9. Sinfonie „Aus der Neuen Welt”, das Cellokonzert und
das „Amerikanische Streichquartett”.
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Samstag, 12. November 2011, 19 Uhr
St. Vinzenz, Klettham
"american dreams"
Programm:
Leonard Bernstein:
„West Side Story”, Medley für Streicher und Klavier
Klavier: Irmgard Bauer
Samuel Barber:
Serenade für Streicher op. 1 (1918)
Antonín Dvořák:
Rondo g-moll op. 94 und
„Waldesruhe” für Violoncello und Orchester
Solist: Maximilian Hornung, Violoncello
Samuel Barber:
Adagio für Streichorchester op. 11
Victor Herbert:
Serenade für Streichorchester op. 12
Leitung: Helmut Veihelmann
Solist: Maximilian Hornung, Violoncello
Foto ©:
Felix Broede
Maximilian Hornung wurde 1986 in Augsburg geboren.
Im Alter von acht Jahren begann er mit dem Cellounterricht.
Seine enorme Begabung wurde früh erkannt und führte ihn zu renommierten Celloprofessoren
wie Thomas Grossenbacher in Zürich und David Geringas in Berlin.
Mit dem Gewinn des Deutschen Musikwettbewerbs 2005 begann seine solistische Karriere.
Als Stipendiat der Anne-Sophie-Mutter-Stiftung wird er von der legendären Geigerin durch
gemeinsame Konzertauftritte und CD-Produktionen gefördert. Unter seinen Partnern finden sich
außer Anne-Sophie Mutter so illustre Namen wie Lisa Batiashvili, Mischa Maisky, Lynn Harrell
und Yo-Yo Ma.
Mit dem Tecchler-Trio (Klavier, Violine, Violoncello) errang er 2007 den
1. Preis beim ARD-Wettbewerb in München.
Das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks wurde dadurch auf ihn aufmerksam
und engagierte ihn 2009 als 1. Solocellisten. Maximilian Hornung nimmt seit 2011 exklusiv
für Sony Classical auf. Bereits für seine erste CD jump!
erhielt er vor kurzem den ECHO Klassik-Preis als Nachwuchskünstler des Jahres.
Zur Homepage von M. Hornung
Eindrücke vom Konzert:
Auch wenn dieses Konzert einen Tag nach
dem 11.11.2011 stattfand, es war trotzdem ein Ereignis, das man unter
gänzlich anderem Aspekt in Erinnerung behalten wird. Denn das
Erdinger Kammerorchester unter der Leitung von Helmut Veihelmann trat
natürlich nicht faschingsgerecht ausstaffiert zu seinem
Herbstkonzert im Pfarrsaal von St. Vinzenz an, sondern im gewohnten
kleinen Schwarzen, wusste aber trotzdem zu überraschen, nämlich mit
seinem Programm.
Denn nicht Barock, Wiener Klassik oder Romantik
standen auf selbigem, sondern der „amerikanische Traum”. Und
repräsentiert wurde dieser „american dream” - so war der Abend
explizit überschrieben - durch die Komponisten Leonard Bernstein,
Samuel Barber, Victor Herbert und Antonin Dvořák. Weshalb der eine
oder andere an dieser Stelle vielleicht erstaunt aufblicken mag, zur
Sicherheit zum Lexikon greifen möchte. Muss man aber nicht, denn
natürlich sollte hier nicht die Behauptung aufgestellt werden,
Dvořák hätte vielleicht US-amerikanische Wurzeln gehabt oder wäre
im Alter von 51 Jahren in die Vereinigten Staaten ausgewandert.
Er ist selbstverständlich und nach wie vor Tscheche, in Prag geboren
und dort auch gestorben. Aber immerhin hat er im Jahr 1892 so eine
Art „Greencard” bekommen und war für drei Jahre Leiter des
National Conservatory in New York. Und er hat dort seine viel gelobte
9. Sinfonie, die drei amerikanischen Streichquartette und das Opus
No. 94 komponiert, von dem noch zu reden sein wird. Doch um es gleich
vorweg zu nehmen und selbst auf die Gefahr hin, dass dadurch die
deutsch-amerikanische Freundschaft vielleicht etwas leidet, es waren
dann auch bei diesem amerikanischen Traum vor allem die Komposition
des Tschechen und deren Interpretation, die traumhaft schön waren.
Was vielleicht einfach an diesen eingefahrenen Denkmustern liegen mag
und keinesfalls an der Spielfreude des Kammerorchesters. Aber
Bernsteins „West Side Story” ist nun einmal ein Musical, und bei
ihren Melodien verfängt man sich halt einfach in Gedanken an die New
Yorker Straßenbanden, an „Sharks” und „Jets”, Maria und
Tony. Doch während im Musical das Ende versöhnlich stimmen soll,
forderte hier im wieder einmal annähernd restlos ausverkauften
Konzertsaal von St. Vinzenz Samuel Barbers „Serenade für
Streicher” eher dazu auf sich mit dem Gedanken anzufreunden, dass
die USA ein relativ junges Land sind und deshalb seine Komponisten
nicht unbedingt ihre Wurzeln im Barock sehen noch auf viele
Jahrhunderte Musikgeschichte zurückgreifen können. Faszinierend war
auf jeden Fall, dass das Kammerorchester weder durch diese Tatsache
noch durch polyphone Anklänge oder Wechsel von Dur nach Moll aus dem
Gleichgewicht zu bringen war. Und dann war ja auch eh schon Zeit zum
Träumen. Und das nicht nur für junge oder jung gebliebene Damen.
Maximilian Hornung, blendend
aussehender und gefeierter Cellist von gerade mal 25 Jahren,
zelebrierte nämlich geradezu den Dvořák und dessen „Rondo g-moll”,
ließ dank großer Intensität zu keiner Sekunde „Waldesruhe”
aufkommen, auch wenn das Stück so heißt. Er stammt aus Augsburg,
kennt mittlerweile aber die großen Konzertsäle von Amsterdam bis
London und Berlin oder Leipzig. Und wer ihn an diesem Abend gehört
hat, weiß auch warum. Traumhaft sicher, aber nie routiniert. Wenn
gefühlvoll, dann aber nie gefühlsselig. Sicher mehr als nur ein
amerikanischer Traum sondern gar nicht überraschend 1. Cellist beim
Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks. Was den Auftritt
natürlich auch erklärt und zu Stoßgebeten führt, dass Helmut
Veihelmann noch lange seine Kollegen überreden kann nach Erding zu
kommen.
Der nächtliche Traum für Samuel
Barber war hingegen vielleicht etwas düster ausgefallen, bevor er
das „Adagio für Streichorchester” schrieb. Es ist wohl trotzdem
sein bekanntestes Stück und hätte vielleicht auch das Potential für
einen Hitchcock-Film. Womit der Schreiber dieser Zeilen nicht mehr
umhin kommt sich zu outen: Er hat ein Vorurteil entwickelt bei diesem
Konzert. Denn auch Victor Herberts „Serenade für Streichorchester”
verband sich für ihn über weite Strecken mit Bildern aus Hollywood,
und das, obwohl Herbert aus Irland stammt und eigentlich nur dank
seiner Frau, Sopranistin an der Stuttgarter Oper, in die USA kam. Sie
nahm ein Engagement an der New Yorker Met nur unter der Bedingung an,
dass der Gatte und Cellist ebenfalls ein Engagement bekommt. Dass
Herbert da auch schon in Wien für die Strauß-Familie als Musiker
tätig gewesen war, ließ sich zumindest in dem einen oder anderen
Satz dann durchaus nachvollziehen. So lautet das Fazit für diesen
Abend, dass neben dem Solisten Maximilian Hornung und Dvořák das
Kammerorchester und seine Musikerinnen und Musiker eindeutig am
meisten beeindruckten, so unbeeindruckt von irgendwelchen Vorurteilen
wie es sich mit Verve den Kompositionen widmete, mittlerweile ein
wahrer Meister des Brückenschlags, nämlich von den „alten Hasen”
zum „Nachwuchs”. Und wie anläßlich dieses Konzerts zu hören
war, auch von der „klassischen” Kammermusik zu einem Traum der
amerikanischer Art, in dem auch ein Dvořák Platz hat. Schließlich
spricht man ja nicht nur für New York vom „melting pot”, vom
Schmelztiegel der Nationen. (pet)
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